Aus der Schule kennen wir die Halbjahres- und Schuljahreszeugnisse. Man findet sie mittlerweile in vielen Unternehmen wieder als jährliche Mitarbeitergespräche, schlimmstenfalls mit entgeltrelevanter Zielvereinbarung. Mit viel Prozessaufwand installiert führen sie ein Eigenleben, das mitunter kaum dem eigentlichen Sinn entspricht.
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Wenn Führungskräfte darüber klagen, dass sie ja noch die Jahresgespräche und Zielvereinbarungen führen müssen, klingt das mindestens nach Pflichtprogramm. Der Wert für den Gesprächspartner könnte dabei fragwürdig werden. Zudem erinnert es ein wenig an das, was viele Schüler im Sommer erleben: es gibt Zeugnisse und mancher bangt um die Versetzung oder mögliche Nachprüfungen nach den Sommerferien. Fehlt eigentlich, dass dies noch als neue Idee gepriesen wird: Sitzenbleiben für Beschäftigte…
Eigentlich ist ja der Grundgedanke, die Führungskraft fasst die Eindrücke aus der Zusammenarbeit zusammen und gibt ein Feedback. Kann man doch eigentlich nichts gegen sagen. Besser als komplett im feedbacklosen Raum zu agieren ist dies sicherlich.
Aber selbst einmal im Jahr scheint für Führungskräfte zu viel zu sein. Immer wieder treffe ich sie, die über den Aufwand stöhnen, die persönliche Belastung, Schwieriges anzusprechen oder überhaupt etwas Erwähnenswertes zu finden usw. Und so verkommen die Jahresgespräche mitunter zu lästigen Pflichtveranstaltungen, die man möglichst geballt im 5-Minuten-Takt erledigt.
Ebenfalls beliebt sind die diversen Wahrnehmungsfehler, die sich einschleichen. Ärgerliches bleibt viel länger im Bewusstsein als Erfreuliches (und wiegt auch stärker), Halo-Effekte toben sich im Positiven wie Negativen aus usw.
Das Problem ist nicht allein der Abstand zwischen den Gesprächen. Und doch würde es bereits eine erhebliche Veränderung bringen, wenn Feedback zum üblichen Führungsinstrument würde. Dieses in qualifizierter Form zu tun, bedarf der richtigen Übung. Wie formuliere ich ohne Angriff? Wie hinterfrage ich offen und zielgerichtet? Wie lobe ich mit echter Wertschätzung?
Der Teufel steckt hier meist im (Formulierungs-)Detail und über Wirkung ihrer Körpersprache sind sich viele Führungskräfte auch nicht immer bewusst. Spätestens hier drückt sich dann auch aus, mit welcher Haltung ich anderen gegenübertrete.
Aufmerksames Wahrnehmen und Rückmelden kann man üben. Übrigens sehr gut in erlebnisreichen Workshops, am besten aber noch in der täglichen Praxis. Dann wird das Jahresgespräch auch eher ein Rückblick auf die gemeinsame Interaktion des letzten Jahres.
Und zum Schluss noch einmal das Lieblingsthema in diesen Gesprächen, das liebe Geld. Koppeln Sie dieses Thema grundsätzlich ab. Wenn Beurteilung und Bezahlung miteinander verknüpft werden, stören Sie als Führungskraft nicht nur die intrinsische Motivation, sondern eröffnen sich zugleich ein Konfliktthema für die nächsten Jahre mit Ihrem Gesprächspartner.